Woher kommen die Haarzellen

Haarzell-Leukämie-Forschung - Dr. Marc Seifert bei der Tagung der Haarzell-Leukämie-Hilfe 2018
Haarzell-Leukämie-Forschung - Dr. Marc Seifert bei der Tagung der Haarzell-Leukämie-Hilfe 2018

Bild: Haarzell-Leukämie-Forschung - Dr. Marc Seifert bei der Tagung der Haarzell-Leukämie-Hilfe 2018

Noch hat die rote Flüssigkeit in unseren Adern nicht alle ihre Geheimnisse preisgegeben. Aber immerhin wissen wir die Blutkörperchen inzwischen in zahlreiche Gruppen zu gliedern. Die bekanntesten sind sicher die Erythrozyten, die roten Blutkörperchen und die Leukozyten, die sog. weißen Blutkörperchen. Jede Gruppe weist wiederum mehrere Untergruppen auf, deren Zellen längst noch nicht alle erforscht sind. Schwierig wird es dann, wenn es um Blutzellen geht, die Krankheit verursachen können. So sind zum Beispiel bei der Haarzell-Leukämie, einer sehr seltenen Blutkrebserkrankung im Blut der Betroffenen sogenannte Haarzellen zu erkennen, deren Oberflächen Auswüchse aufweisen, die wie kleine Härchen aussehen.

Durch diese Auswüchse unterscheiden sich Haarzell-Leukämie-Zellen von normalen Lymphozyten. Oder sagen wir besser, das dachte man bisher. Die Erforschung der Haarzellen wurde durch Dr. Marc Seifert vom Institut für Zellbiologie in Essen intensiviert. Seit etwa einem Jahr wird in seinem Institut gezielt Blut untersucht, welches Haarzell-Leukämie-Zellen enthält. Und da gab es durch Genanalysen erstaunliche Fortschritte. Wahrscheinlich sind die Zellen nicht “krank” weil sie so ausgefranste Zellränder haben. Vielmehr ist es wohl so, dass mehrere Blutzellen solche “Haare” entwickeln um sich im Gewebe fortbewegen zu können. Am Ziel angelangt verrichten sie die Aufgabe wozu sie losgeschickt worden sind und bilden die Fransen wieder zurück. Und genau das tun offenbar die Haarzellen bei der Haarzell-Leukämie nicht. Sie haben wahrscheinlich “vergessen” wozu sie losgeschickt worden sind.

Bei der gemeinsamen Suche mit amerikanischen Wissenschaftlern zeigte sich bei der Analyse der Haarzellen eine weitere überraschung. Man kann die Haarzellen im Knochenmark nachweisen und durch ihr Bestreben es sich dort so “gemütlich” wie möglich zu machen, bilden sie einen Art “Komfortzone” um sich herum und verändern damit das Knochenmark. Fibrose nennen das die Wissenschaftler. Es lag nah anzunehmen, dass diese Zellveränderung auch im Knochenmark stattfindet. Durch den Vergleich der Genmuster mit bisher schon kategorisierten Zellen ergab sich aber eine größere übereinstimmungen mit Blutzellen, die vorzugsweise in der Milz anzutreffen sind. So könnte es sein, dass die Milz, als so eine Art Müllverbrennungsanlage des Blutkeislaufes, bestimmte Zellen zu Arbeitseinsätzen abkommandiert, die aber nie am Arbeitsort eintreffen, sondern es vorziehen im Knochenmark zu “chillen” und sich zu teilen.

Um diese Vorgänge genauer untersuchen zu können, und vielleicht später auch einmal Ansätze zur Beeinflussung dieser “fehlgeleiteten” Zellen entwickeln zu können, benötigen die Wissenschaftler in Essen weiterhin Haarzell-Leukämie-Blutspenden. Dafür haben sie einen speziellen Abholdienst eingerichtet um die Blutproben so frisch wie möglich verarbeiten zu können. Sollten Sie selbst betroffen sein oder einen Betroffenen kennen, machen Sie diese bitte darauf aufmerksam.

Bis herausgefunden ist, welche Art von Blutzelle Ausgangspunkt der Haarzell-Leukämie ist und sich daraus eventuell neue Therapieansätze ergeben, bleibt den Erkrankten in den meisten Fällen erst einmal nur die Möglichkeit, so viele von den Haarzellen wie möglich mit einer Chemotherapie eliminieren zu lassen. Zwar gibt es inzwischen auch Ansätze den Haarzellen auf Gen-Ebene zu Leibe zu rücken, jedoch sind die Ergebnisse im Vergleich zur Chemotherapie weniger nachhaltig.

Zu danken ist den ehrenamtlich Engagierten der Haarzell-Leukämie-Hilfe. e.V. die im April 2018 wieder ärzte, Wissenschaftler, Patienten und Angehörige zusammengebracht haben um über die neuesten Entwicklungen zu informieren und persönliche Begegnungen zu ermöglichen.

Weitere Informationen zur Forschung sowie Kontakt zum Institut erhalten sie auf den Seiten der Zellbiologie des Uniklinikums Essen.

Dieser Text wurde von Dr. Marc Seifert redigiert, vielen Dank!

This article was updated on January 11, 2022